Es war ein mal ein Abenteuer!

Pen-and-Paper schon im Vorschulalter?

Die Geschichte begann, als mein fünfjähriger Sohn mein Pen-and-Paper-Notizbuch entdeckte.

Seit einiger Zeit spiele ich regelmäßig in einer Rollenspielrunde. Ich hab es mir zur Gewohnheit gemacht kleine Skizzen und Zeichnungen von unserer Geschichte anzufertigen, die ich beim Spielen neben meine Notizen kritzele. In meinem Notizbuch finden sich Strichmännchen, windschiefe Häuschen, bunte Pilze, Schwerter, wilde Bäume, allerlei süße Fabelwesen und eingeklebte Charakterbildchen. Alles, was man sich in einem Rollenspiel-Notizbuch so wünscht und vorstellen kann. Fantasievollen Details, die ich mir unsere erlebten Geschichten in Erinnerung rufen können, sobald ich darin stöbere.

Als mein Sohn das Notizbuch fand, war er aufgeregt vor Neugier.
„Mama, was ist das?“ fragte er begeistert und blätterte durch die bunten Seiten. Also erzählte ich ihm von meinen letzten Abenteuern in meinem geliebten mittelalterlichen Märchenrollenspiel. Zu meiner Überraschung war er völlig begeistert. Er tauchte tief in die Geschichten ein und wollte gar nicht mehr aufhören, mir zuzuhören.

Mama? Ich will auch mal Rollenspielen, bitte!

Er sah mich mit großen leuchtenden Augen an.

Natürlich wollte ich ihm diesen Wunsch erfüllen – aber wie sollte ich das umsetzen? Lesen und Schreiben kann er noch nicht, schließlich ist er erst im Kindergarten.

Also begann ich zu recherchieren. Sicher war ich nicht die einzige Nerd-Mama mit diesem Problem! Schließlich stieß ich auf einige Kinder-Rollenspiele im Internet. Die Rezensionen waren jedoch durchwachsen, und nichts davon überzeugte mich so richtig (Falls jemand einen guten Tipp hat, freue ich mich übrigens sehr darüber!). Ich vertagte das Thema vorerst.

Ein ungewöhnlicher Start

Eines Nachmittags saßen wir zusammen und malten. Mein Sohn hatte sich wieder meine Pen-and-Paper-Sachen geschnappt und versuchte, kleine Häuser und Burgen aus meinen Notizen abzumalen. Ich gesellte mich dazu und malte selbst gedankenverloren vor mich hin – und erschuf dabei eine grobe Küstenlinie auf meinem weißen Papier.

Plötzlich war er Feuer und Flamme. Er lehnte sich über meine Schulter, zeigte auf verschiedene Stellen des leeren Blattes und erfand lebhaft Geschichten, die ich dort zeichnen sollte, wo seine kleinen Finger hinzeigten. Hin und wieder zog er das Papier zu sich herüber und malte selbst etwas – ein Haus, einen Baum oder eine kleine Figur. Doch seine Ideen sprudelten so unaufhörlich, dass ihm das Zeichnen manchmal fast zu lästig wurde. Also wechselten wir uns ab: Ich malte, er erzählte, und gemeinsam erkundeten wir mit dem Eifer von Forschenden unser neu entstandenes Territorium.

„Hier sind Zwerge in den dunklen Minen“, erklärte er, „und sie haben einen geheimen Pfad zum Meer. Dort handeln sie mit Piraten, die auf einer einsamen Insel ihre Schätze verstecken. Manchmal finden sie sie selbst gar nicht mehr wieder! Da ins Wasser muss das Piratenschiff. Warte, Mama, ich mach das mal eben!“

Er sprach von einem Wasserfall, der die schönsten Regenbögen zaubert und deswegen „Regenbogenfall“ genannt wird, von einem vergifteten Sumpf in der Nähe eines großen Vulkans. Ganz in der Nähe treiben wohl Ogar ihr Unwesen. „Aber die Ogar von Shreck, keine Orks. Oks sind mir zu gruselig!“, lacht er. Ein Schild warnt Reisende davor, in diese Richtung zu gehen. Viel zu gefährlich wäre es einem Ogar in die Arme zu laufen! Besonders, wenn die eigentlich im Sumpf baden möchten. Dann sollte man sie nicht stören!

Natürlich durfte auch der Troll Rembert nicht fehlen – Namensgeber der „Rembertbrücke“ –, der wohl aber nur selten an der Brücke anzutreffen ist. Irgendwann müssen wir mal herausfinden, was er sonst so treibt, wenn er nicht über seine Brücke bewacht!

Ach ja und da, in der Mitte der Karte, wohnt noch ein Krämer, der Fallschirme verkauft, falls mal eine Brücke einstürzt. Sowas ist praktisch. Praktisch ist auch seine verkehrtgünstige Lage, wie mich mein Sohn aufklärte: Der Laden in der Nähe der Kreuzung mit dem poetischen Namen „3B1-Kreuzung“. „Schließlich heißen doch alle Kreuzungen so!“, erklärte mir mein Sohn mit einer Selbstverständlichkeit, die keinen Widerspruch duldete – inspiriert von den Ansagen des Auto-Navigationssystems.

Wir malten alles auf die Karte.

Schließlich stellte ich die entscheidende Frage:
„Sag mal, wo sind wir eigentlich? Kannst du mir sagen, wofür dieses Land berühmt ist?“

Ohhh ja, natürlich kann ich dir das sagen, Mama:

Für Grießbrei!
Weißt du? Die handeln doch damit!

Willkommen in unserem Land, in dem Grießbrei das wichtigste Lebensmittel ist – ein kostbares Handelsgut, von dem das Überleben unserer Bevölkerung abhängt!
Unsere Felder sind unverzichtbar, denn ohne sie gäbe es keinen Grieß, und ohne Grieß kein Leben.

In unserem Land hat jede Stadt, jedes Dorf und sogar jede noch so kleine Familie ihr eigenes, streng gehütetes Grießbrei-Geheimrezept. Manche schwören auf süßen Grießbrei, andere auf salzigen. Man munkelt sogar, dass der König in der Hauptstadt Loadon ausschließlich Meeresfrüchte in seinem Grießbrei isst. Jeder und jede hat ein Rezept – eines, das schlicht unübertroffen und berühmt ist.

Schließlich wird unser Rezept seit dreizehn Generationen weitergereicht und derzeit von unserer lieben Tante Erna mit größter Sorgfalt zubereitet. Niemand wird es jemals besser hinbekommen als sie!

Wag es bloß nicht, etwas anderes zu behaupten! 😛

Funktioniert Pen-and-Paper denn jetzt auch mit unseren Kleinsten?

Ja, das tut es – und wie! Darüber werde ich in Zukunft ausführlicher berichten (Spoiler: Es funktioniert wirklich gut!) und auch Materialien zum Nachspielen werde ich hochladen. Doch zunächst möchte ich meine Erkenntnisse aus diesem besonderen Nachmittag teilen:

Eigentlich war das Malen der Karte schon unsere erste Rollenspielsitzung.

Ganz ohne Würfel, Charakterbögen oder Regeln. Nur ein Blatt Papier, ein paar Buntstifte und die Freiheit, einfach draufloszumalen und Geschichten zu erfinden. Wer sagt denn, dass man bei Pen-and-Paper schreiben können muss? Warum nicht malen, wenn das Schreiben noch nicht klappt?

Was ich an diesem besonderen Tag gelernt habe, ist die Kraft offen gestellter Fragen wie:
„Was denkst du, was es da wohl geben könnte?“

Die Augen meines Sohnes leuchteten förmlich, und ich war fasziniert von seiner Kreativität. Aus dem Nichts wünschte er sich ein kleines Fischerdörfchen und rote Krabben für die Bucht – nicht nur Drachen und Räuber, was ich zugegebenermaßen eher erwartet hätte.

Ein Schatz für unser Grießland-Abenteuer

Als Spielleiterin habe ich jetzt eine wunderschöne Grundlage für unsere gemeinsamen Abenteuer. Wir haben beide ein gemeinsames Bild von unserer grießvollen Land. Ich muss ihm daher kein vorhandenes Welt-Konzept aufzwingen. Mittelerde, Aventurien und Co. kommen früh genug.

Ich wiederum kenne mich in den aktuellen Kinder-Trends nicht gut genug aus, um mich da rollenspieltechnisch sicher zu fühlen.

Was eigenes zu entwerfen war also für uns genau der richtige Ansatz. Auch wenn mir das vorher nicht bewusst war.

Wenn jedoch Star Wars, Superhelden oder tolkinische Fantasy bereits euer gemeinsames Ding sind – nur zu! Vielleicht möchte euer Kind direkt mit einer Sternenkarte gegen den Todesstern losziehen? Dann malt sie euch einfach und beginnt eure Geschichte zu erzählen.

Mein persönlicher Tipp an euch:

Malt mutig eine richtig krumme Küstenlinie auf ein leeres Blatt Papier und fragt euer Kind, was sich hinter den weißen Stellen des Blattes wohl verbirgt. Lasst euer Kind malen und malt gemeinsam. Und ganz wichtig: Steht euch selbst nicht im Weg. Kinder sind auf eine andere Weise kreativ.

Dann heißt die mittelalterliche Kreuzung eben 3B1-Kreuzung und im Krämerladen gibt es hochmoderne Fallschirme. Na und? Ich fand es unglaublich erfrischend, so viel Begeisterung, Aufregung und Muse mit meinem Sohn zu teilen.

Bonus-Tipp
Wenn ihr euch unsicher fühlt wie genau man eine Karte malt, dann empfehle ich die How to Draw– Videos von JP Coovert auf YouTube anzuschauen. Damit kann wirklich jede:r malen! Versprochen! Auch Du! Aber bevor ihr jetzt gleich alle weg seid und auf YouTube eure Zeit verbingt.

Hier meine letzten zusammenfassenden Sätze:

Malt euch eine Karte!

Ich glaube, ich habe es jetzt oft genug gesagt! 😀
Es macht unglaublich viel Spaß und ist ein großartiger Einstieg in die Welt des Pen-and-Paper-Rollenspiels und wenn ihr Lust habt, schreibt mir doch mal eure Erfahrungen – ich bin wirklich neugierig in welche neuen Welten es euch so verschlägt!

Keine Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Letzte Kommentare

Keine Kommentare vorhanden.